Von wegen Gesundheit ohne Grenzen
Seit Jahren hat der BRK-Kreisverband in Wunsiedel ein Problem: Blaulicht-Einsätze in Tschechien sind rechtliche Zitterpartien. Im Gegensatz zu Sachsen hat Bayern noch keine Lösung.
Wunsiedel - Eine Situation und zwei mögliche Szenarien. Ein älteres Paar aus Selb macht einen Ausflug mit dem Zug nach Asch. Beim Aussteigen am Bahnsteig wird es der Frau plötzlich schwarz vor Augen, sie bekommt kaum noch Luft und bricht ohnmächtig zusammen.
Möglichkeit eins: Ein Passant verständigt den tschechischen Notdienst. Doch das Ascher Rettungsfahrzeug ist gerade unterwegs. Es vergehen viele Minuten bis die Sanitäter kommen und das nächste tschechische Krankenhaus liegt in Eger, nochmal 25 Kilometer entfernt. Möglichkeit zwei: Der Mann aus Selb wählt die 112 und landet bei der Leitstelle in Hof, sie schickt den bayerischen Rettungsdienst von der Selber Wache los. In fünf Minuten ist er bei der Ohnmächtigen und wenige Minuten später kümmern sich die Ärzte in der Notaufnahme des Selber Krankenhaus um die Frau. Der Zufall entscheidet darüber, wie schnell der Kranken geholfen werden kann.
Der Wunsiedler BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Ulbrich hat einen Traum: Er wünscht sich, dass der Rettungswagen, der den Notfallort am schnellsten erreichen kann, startet, um zu helfen. Ganz egal ob Tschechen oder Deutsche ausrücken, egal welche Nationalität der Patient hat und ganz egal welche Leitstelle verständigt wird. Doch bis zur Realiserung dieses Wunsches ist es noch ein weiter Weg in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Momentan kämpft Ulbrich noch mit ganz anderen Themen. Jeder Einsatz in Tschechien ist eine rechtliche Zitterpartie.
"Wir fahren schon rüber, wenn wir alarmiert werden, selbstverständlich", sagt Thomas Ulbrich. Doch jeder Einsatz in Tschechien sei eine Aktion in der Grauzone. "Wir haben ja auch Betäubungsmittel dabei", nennt er ein Beispiel. Auch Kostenübernahmen oder Versicherungsfragen seien letztendlich nicht klar geregelt. "Solange nichts passiert, ist es gut", so Ulbrich. Aber was auf ihn zukäme, wenn ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht bei Rot über eine tschechische Kreuzung fährt und mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, das will er sich lieber nicht so genau vorstellen.
Seit knapp drei Jahren gibt es zwar einen Vertrag zwischen den Nachbarländern, doch für die tägliche Praxis nützt der den Rettern noch wenig. Denn das "Rahmenabkommen", das der deutsche Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr und sein tschechischer Amtskollege Leos Heger am 4. April 2013 unterzeichnet haben, gibt nur vor, "was in künftigen Kooperationsvereinbarungen geregelt werden soll", schrieb das Gesundheitsministerium zu diesem Anlass in eine Pressemeldung.
Innerhalb der letzten drei Jahre ist es dem Freistaat Bayern jedoch nicht gelungen, Nägel mit Köpfen zu machen und eine Kooperationsvereinbarung mit den zuständigen Regionen in Tschechien zu schließen und alle offenen Fragen zu beantworten. Ein bisschen neidisch schaut Ulbrich deswegen zu seinen Kollegen nach Sachsen.
Ganz im Gegensatz zu Bayern hat Sachsen Fakten geschaffen. Ende November setzten der sächsische Innenminister Martin Ulbig und der Präsident der tschechischen Regionen Usti, Liberec und Karlovy Vary ihre Unterschrift unter den Vertrag und seit dem 1. Januar 2016 heißt es freie Fahrt für die sächsischen Rettungsdienste.
"Die Verhandlungen hoffen wir bis zum Sommer 2016 abschließen zu können", kommentiert Ministerialrat Stefan Frey vom Bayerischen Innenministerium den Stand der Dinge gegenüber der Frankenpost.
"Wir fahren schon rüber, wenn wir alarmiert werden, selbstverständlich."
Thomas Ulbrich,
BRK-Kreisgeschäftsführer
Frankenpostbericht vom 09.02.2016, Alexandra Hautmann