Katastrophenübung in Seußen - Alles beginnt mit einem Ausrutscher
Mehr als 250 Helfer kümmern sich bei der Katastrophen-Übung um 45 "schwer Verletzte". Von der Feuerwehr Seußen bis zum Notfall-Management der Bahn in München arbeiten alle Hand in Hand.
Seußen - Alles beginnt mit einem Ausrutscher. Ein Rangierer fällt vom Trittbrett des Waggons und kann so nicht verhindern, dass ein Langholz-Transport-Güterzug vom Schirndinger Bahnhof aus auf die ungesicherte Strecke fährt. Und tatsächlich kommt es bei Elisenfels zum Schlimmsten: Der Güterzug kollidiert mit einem Regio-Zug, in dem um die 40 Fahrgäste sitzen. Es gibt etliche zum Teil schwer Verletzte.
Zum Glück handelt es sich nur um eine große Übung, die in der Nacht zum Sonntag rund 300 Helfer aus dem gesamten Landkreis an ihre Grenzen bringt. "Wir wollten das Szenario so realistisch wie möglich gestalten", sagt der für die Aktion verantwortliche Kreisbrandrat Wieland Schletz im Gespräch mit der Frankenpost. Tatsächlich hat es die Übung in sich. Die beiden Züge "krachen" etwa 400 Meter vom Bahnübergang Elisenfels in Richtung Arzberg ineinander, eine Stelle, an der auf beiden Seiten eine rund 20 Meter steile Böschung ist. Dazu behindern auf das Gleis gefallene Baumstämme die Retter.
Um 23.48 Uhr kann der Lokführer noch einen Notruf beim Fahrdienstleiter in Marktredwitz absetzen. Jetzt zählt jede Sekunde. Der Fahrdienstleiter informiert sofort die Notfall-Leitstelle der Bahn in München. Diese wiederum stoppt den Bahnverkehr auf der Linie Marktredwitz-Schirnding. Zugleich gibt sie den Notruf an die Bundes- und Landespolizei sowie die integrierte Leitstelle in Hof weiter. Um 23.51 geht hier die Meldung ein, und gegen 0 Uhr sind die ersten Retter an der Unglücksstelle. Schnell stellt sich heraus, dass es ohne die Feuerwehren Marktleuthen und Kirchenlamitz schwierig werden würde. Denn nachdem Feuerwehr- und THW-Kräfte den Weg freigesägt haben, hieven die Marktleuthener und Kirchenlamitzer ihre Bahnrettungssätze auf die Gleise. "Die sind im Landkreis zentral bei den beiden Wehren deponiert. Es sind Rollwagen für den Einsatz auf Gleisen, eine Rettungsplattform und fünf Schleifkorbtragen zum Bergen von Verletzten."
Während Kreisbrandinspektor Armin Welzel am Unglücksort die Retter dirigiert, kümmert sich Kreisbrandinspektor Marc Schmidt im vier Kilometer entfernten Feuerwehrhaus Arzberg um die Koordination der Einsatzkräfte. "Bei einem derartigen Unglück gibt es unheimlich viel zu bedenken. Wir haben Strom, Licht, Kabeltrommeln und hydraulische Rettungssätze benötigt, die mit den Rollwagen zu den kollidierten Zügen transportiert werden mussten. Auch mussten der Bürgermeister und der Landrat und natürlich die Presse informiert werden", sagt Schletz. In der Nacht zum Sonntag kommt noch eine weitere Aufgabe hinzu. Innenminister Joachim Herrmann will sich an der Unglücksstelle ein Bild von der Lage machen. Auch dies müssen die Retter ermöglichen.
Herrmann kam natürlich nicht selbst. Dennoch haben die Einsatzkräfte eine Übung meistern müssen, die es in sich hatte. So war in der Nacht auch die Katastrophenschutzstelle im Landratsamt eingebunden. Ursprünglich hatte die Deutsche Bahn den Wunsch, ein Bahnunglück zu simulieren. Wieland Schletz nahm die Anregung auf und arbeitete ein Szenario kurz unterhalb des Katastrophenalarms aus. Langholztransporter sind übrigens tatsächlich auf der Strecke unterwegs. Die Salzburger Eisenbahntransportgesellschaft transportiert regelmäßig Baumstämme von Tschechien zur Umladestation Wiesau.
Dankbar ist Schletz den 45 Bürgern, die bei der Übung Verletzte spielten. Damit sie echt aussahen, wurden sie von den dafür spezialisierten Helfern des BRK Weißenstadt zuvor im Feuerwehrhaus Marktredwitz mit Gelatine und Farbe geschminkt. "Die Freiwilligen konnten aus vorgegebenen Verletzungen wählen, ob sie zum Beispiel eine offene Oberschenkelfraktur oder einen Nasenbeinbruch haben wollten." Letztlich sind bis 3.15 Uhr alle Verletzten geborgen gewesen. Um 4.30 trafen sich alle Beteiligten zu einer Brotzeit im Feuerwehrhaus in Arzberg.
Text: Frankenpost, Matthias Bäumler, 03.09.2018