Haus und Auto größte Schuldenfallen
Die Insolvenzberater des Roten Kreuzes haben jede Menge zu tun. Für viele Menschen sind sie die letzte Rettung, wenn es ums Geld geht.
Marktredwitz - Es sind ganz normale Menschen, die zu Adeline Baumgärtel ins Büro kommen. Männer und Frauen, die den Traum vom Haus, vom schicken Auto und all der anderen Dinge, die zu einem guten Leben gehören, geträumt haben. Jetzt leben die Männer und Frauen zwar in ihren Häusern, sind Eigentümer eines schicken Autos, aber ein gutes Leben führen sie nicht mehr. Adeline Baumgärtel ist Schuldnerberaterin beim Kreisverband des Roten Kreuzes in Marktredwitz und kennt Hunderte tragischer Schicksale. "Die meisten unserer Klienten sind nicht mit denen vergleichbar, die in den Sendungen der Privatsender zu sehen sind."
Schulden sind längst auch ein Problem des Mittelstandes geworden. Häufig, sagt Adeline Baumgärtel im Gespräch mit der Frankenpost , ist schlicht Blauäugigkeit der Grund dafür, dass das Geld hinten und vorne nicht mehr reicht. "Ich erlebe es immer wieder, dass die Leute beim Bauen viel zu knapp kalkulieren. Da darf nichts passieren, sonst geht alles den Bach runter." Mittlerweile seien Immobilien beinahe das Hauptgeschäft von ihr, sagt die Schuldnerberaterin. Die meisten Häuslebauer rechneten fest mit den Gehältern beider Ehepartner. Breche eines weg, etwa durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit, gerate der Finanzierungsplan aus dem Lot.
Etwa 200 Menschen aus dem Landkreis suchen pro Jahr Rat bei den drei Schuldnerberatern des Roten Kreuzes. Viele wollen mithilfe einer Privatinsolvenz ein neues Leben beginnen. "Ein knappes Drittel der Klienten strebt aber eine außergerichtliche Schuldenbereinigung an", sagt Adeline Baumgärtel. Dies sei zwar eine Ochsentour, "aber die Leute sagen sich, sie haben die Schulden verursacht und sie wollen sie auch begleichen". Hierbei helfen ihnen die Schuldnerberater.
Rund 20 Prozent der Klienten kommen zu einem Erstgespräch ins Rot-Kreuz-Haus in Lorenzreuth, lassen anschließend aber nie wieder etwas von sich hören. Der Rest, gut die Hälfte, will die Privatinsolvenz. Im letzteren Fall geht es im Durchschnitt um 50 000 Euro Schulden, die sich aufgetürmt haben.
Seit 2014 gibt es ein reformiertes Insolvenzrecht. Seither gibt es drei Arten der Privatinsolvenz. Im wesentlichen geht es dabei um die Länge der sogenannte Wohlverhaltensperiode, die entweder drei, fünf oder sechs Jahre betragen kann. In allen Fällen muss der Schuldner aktiv mitarbeiten. "Das bedeutet, dass er alle relevanten Änderungen der Lebensumstände sofort dem zuständigen Anwalt und dem Gericht meldet. Dazu zählen, Arbeitsplatz- und Wohnortwechsel, die Geburt eines Kindes oder auch eine Scheidung", sagt Adeline Baumgärtel.
Bevor die Wohlverhaltensperiode beginnt, muss der Schuldner eine komplette Gläubigerliste vorlegen. Dies ist meist ein größeres Problem. Auch die Verfahrenskosten in Höhe von rund 1200 Euro muss der Schuldner bezahlen, damit er überhaupt Aussicht hat, eine Restschuldbefreiung zu erhalten. Laut der Schuldnerberaterin dauert es im Durchschnitt ein bis eineinhalb Jahre, bis das Gericht einen sogenannten Schlusstermin festsetzt. "Nun erst beginnen die Fristen zu laufen."
Adeline Baumgärtel hält die Angst vieler Schuldner vor der Pfändung für unbegründet. "Die Pfändungsgrenzen liegen zum Beispiel bei einem Alleinstehenden ohne Kind bei 1080 Euro. Familien dürfen entsprechend mehr Geld behalten."
Die Experten des Roten Kreuzes beraten zwar die Schuldner über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und helfen, den 40-seitigen Insolvenzvertrag auszufüllen, doch die Wohlverhaltensperiode durchzustehen, das muss der Antragsteller selbst.
Zurück zum Traum vom Haus. In vielen Fällen werden die Schuldner dieses nicht halten können. "Die Banken versuchen schnell eine Zwangsversteigerung zu starten, um ihr Geld zu retten", sagt die Expertin.
Als "regelrecht tragisch" bezeichnet die Fachfrau die Liebe vieler Menschen zum Auto. "Leider ist es nicht immer einfach, die tatsächlichen Kosten einer Finanzierung richtig einzuschätzen." Denn mittlerweile würden fast alle Autos finanziert. Da sei es dann verlockend, für einen gering erscheinenden monatlichen Aufpreis noch eine Klimaautomatik, eine Sitzheizung oder Xenon-Scheinwerfer zu ordern. "Dass aber außer den monatlichen Kreditraten noch Benzin, Steuern, Versicherung und Kosten der Vertragswerkstatt dazu kommen, hat nicht jeder im Blick." Adeline Baumgärtel kennt viele Fälle, in denen Schuldner noch für Autos zahlen, die ihnen längst nicht mehr gehören. Etwa, wenn jemand eine Finanzierung von 15 000 Euro offen habe, seinen Wagen aber lediglich für 5000 Euro verkaufen konnte.
Ähnlich verhält es sich mit Mobilfunkverträgen. Diese haben in der Regel eine Laufzeit von 24 Monaten. "Wenn jemand einige Zeit seine Rechnung von monatlich 25 Euro nicht bezahlt, wird ihm vom Mobilfunkunternehmen gekündigt. Aber die Kosten für die gesamten zwei Jahre, also 600 Euro bleiben bestehen", rechnet Adeline Baumgärtel vor. Damit nicht genug. Der Mobilfunkunternehmer beauftragt in der Regel ein Inkassobüro, das das Geld eintreibt. "Das heißt, dass der säumige Zahler auch noch die 200 Euro für das Inkassobüro bezahlen muss." Da für die meisten Menschen ein Handy eines der wichtigsten Utensilien ist, schließen viele gleich bei einem anderen Unternehmen einen Vertrag ab. "Dann zahlt man zeitgleich zwei Verträge, da kommt nach kurzer Zeit eine Menge Geld zusammen."
Es sind Fälle wie diese, mit denen Adeline Baumgärtel jeden Tag konfrontiert ist. Die Schuldnerberaterin kennt viele Strategien, wie Menschen wieder in die Lage versetzt werden können, finanziell auf die Beine kommen. "Doch wenn der Schuldner nicht motiviert ist, nutzt unsere Hilfe nichts."
Zwei Seiten einer Medaille
Schuldnerberaterin Adeline Baumgärtel sieht nicht nur die Seite der Schuldner. "Natürlich ist es oftmals ebenso tragisch für die Gläubiger, wenn sie eine Menge Geld verlieren." Sie sei in Kontakt mit vielen Handwerkern, Autohändlern, Tierärzten oder Zahnärzten, die für ihre Leistung niemals Geld sehen. "Sicher kann man sagen, die Betriebe leiden ja keine Not. Aber wenn man nicht einen, sondern 20, 30 Kunden hat, die ihre Rechnung nicht bezahlen, dann kann die es auch für einen Unternehmer kritisch werden." Mitleid hat die Beraterin auch für zahlreiche Vermieter im Landkreis, denen Mietnomaden Tausende Euro Kosten verursacht haben. "Jeder, der leichtfertig Schulden macht, sollte bedenken, dass jemand darauf vertraut hat, sein Geld zu erhalten."
Adeline Baumgärtel
Frankenpostbericht am 10.02.2016, Matthias Bäumler