Blutspender aus Leidenschaft
Wolfgang Bartsch ist Stammgast beim Roten Kreuz. Alle 56 Tage gibt der 71-Jährige den kostbaren Lebenssaft, um anderen zu helfen. Und das nun schon zum 175. Mal.
Selb - Aus den Vitrinen im Treppenhaus schauen Püppchen aus Porzellan. Kleine Zwerge mit roten Mützen und bunten Jäckchen blicken freundlich drein. In der Wohnung bietet sich ein ähnliches Bild. Doch hinter den Türen der Schränkchen und Vitrinen im Wohnzimmer von
Wolfgang Bartsch verbergen sich noch andere Schätze: Auszeichnungen und Ehrungen, die der Rentner sorgfältig aufbewahrt. Sie erinnern den 71-jährigen Selber an seine guten Taten: an 175 Blutspenden.
Als junger Mann, mit 18 Jahren, spendete Wolfgang Bartsch zum ersten Mal Blut im Rotkreuzhaus in Selb. Damals ist Bartsch mehr aus Spaß mit Freunden und Bekannten
mitgegangen. Dass sich daraus eine wahre Leidenschaft entwickeln würde, hatte sich der junge Mann noch nicht vorstellen können. Heute, als Rentner, ist es für ihn unvorstellbar eine Blutspende zu verpassen oder gar mit dem Spenden aufzuhören.
"Aufhören? Dieser Gedanke ist mir noch nie gekommen"
Blutspender Wolfgang Bartsch
Dennoch kann Bartsch nicht ewig spenden. In zwei Wochen wird der Rentner 72 Jahre alt. Bis nächstes Jahr im Oktober darf er noch zur Blutspende gehen. Dann ist Schluss. Das besagen die Vorschriften. "Die 180 will ich aber unbedingt noch voll machen", sagt er. Die Chancen stehen gut. Der Rentner ist körperlich topfit. Sein Alter sieht man dem Mann in der dunkelblauen Jeans und dem Hemd, dessen Ärmel leicht zurück gekrempelt sind, nicht an. Die Altersgrenze kann er aber nachvollziehen. Nur als er mit 69 Jahren bei einer Blutspende beinahe abgelehnt wurde, das konnte er nicht verstehen. Vor ein paar Jahren lag die Altersgrenze für die Spende allerdings noch bei 69 Jahren. Da viele in diesem Alter aber noch kerngesund sind und der Nachwuchs fehlt, wurde das Limit auf 72 Jahre erhöht. "So lange ich kann, gehe ich auch", sagt Bartsch.
Für die Teams, die den Spendern das Blut abnehmen, gehört er schon zum Inventar. Obwohl die Ärzte und das Personal oft wechseln, kennt Bartsch so gut wie alle. Auch untereinander
kennen sich die Spender und tauschen sich aus. "Das ist wie beim Briefmarkenverein oder bei den Taubenzüchtern", vergleicht Bartsch.
Blutspenden ist für den Selber selbstverständlich geworden. Natürlich wurde er für sein Engagement schon oft geehrt, seine Auszeichnungen zeigt er aber nur widerwillig. Als
wäre es ihm peinlich und unangenehm, nicht etwas Besonderes. Die runden, handflächengroßen Ehrungen aus Glas mit goldenem Dekor für seine 125. und 150. Spende holt er dann trotzdem aus der Vitrine. Aber nur ganz kurz. Ebenso wie die dicke schwarze Mappe mit all seinen Urkunden und den vielen Zeitungsartikeln. Nur ein kurzer
Blick, dann verstaut der Rentner alles wieder sorgfältig an seinem Platz. Seine vielen Blutspendeausweise zählt er nur ungern. "Es hat doch nichts zu bedeuten, wie viele es sind." Aufgehoben hat er sie trotzdem alle: 13 Stück sind es. Jetzt hat Bartsch nur noch Karten. Sie sehen beinahe aus wie Kreditkarten. In Bronze, Silber und Gold. Darauf sind all seine Daten gespeichert.
Da seine Tage als Blutspender bald gezählt sind, setzt er nun auf den Nachwuchs: "Jetzt ist die Jugend dran. Jeder, der jung und gesund ist, kann gehen. Doch die haben Angst oder sind zu faul." Dabei weiß er genau, wie wichtig es ist, zur Blutspende zu gehen. Ein Betriebsunfall vor vielen Jahren, als Bartsch noch auf dem Bau gearbeitet hat, zeigte ihm,
wie schnell es gehen kann. Sein kaputtes Kniegelenk musste damals operiert werden. "Wahrscheinlich habe ich bei der Operation selbst eine Bluttransfusion gebraucht."
"Das Spenden tut nicht weh, im Gegenteil, es tut mir gut." Das Blutabnehmen dauert nur zehn bis fünfzehn Minuten, unter ständiger Kontrolle. Vorher checkt ein Arzt den Gesundheitszustand, misst Blutdruck und Temperatur.
Und wer viel trinkt, bekommt normalerweise hinterher auch keine Kreislaufprobleme. Bei 175 Blutspenden ging es Bartsch nur einmal danach schlecht. "Da war ich aber selbst schuld. Ich hatte vorher nichts gegessen, darum wurde mir schwindlig." Kein Grund für Wolfgang Bartsch, nicht mehr zum Spenden zu gehen.
Der nächsten Blutspende im November fiebert der Selber schon entgegen. In einem Kalender hat er alle Termine eingetragen. Er fährt - wenn es sein muss - auch durch den ganzen Landkreis. Es reicht ihm nicht, nur viermal im Jahr zu spenden. Seit
er Rentner ist, geht er sechsmal spenden. Alle 56 Tage. Und das kostet er voll aus. Viele Kilometer ist er deswegen schon gefahren. Ob Arzberg, Hof oder Marktredwitz, Bartsch ist da, wo die nächste Blutspende ist.
Frankenpostbericht von Magdalena Dziajlo am 20.10.2016