Viele haben ein Kreuz zu tragen
Rettungsassistent Sebastian Lorenz im Gespräch mit der Frankenpost.
Es ist ein bestimmter Geruch, der den Film in seinem Kopf startet. Nie wird Sebastian Lorenz vergessen können, was ihm bei seinem ersten großen Einsatz in die Nase stieg. Die Flüssigkeiten, die aus dem Autowrack sickerten, das Blut der drei jungen Menschen, die an jenem Tag auf der B 303 am Silberhaus ihr Leben verloren. "Das hat mich lange verfolgt", sagt der 27-jährige Rettungsassistent aus Marktredwitz. "So etwas nimmt einen schon mit." Zuvor sei er mit dem Tod so direkt nie konfrontiert worden. "Heute sind schlimme Sachen an der Tagesordnung." Lorenz war gerade mit der theoretischen Ausbildung fertig, als der Unfall passierte. Und er muss gleich zu Beginn lernen, "dass man manchmal eben keine Chance hat, den Patienten zu helfen". Frustrierend sei es, wenn man erkenne, dass auch die Retter gewissen Grenzen unterworfen sind.
Dennoch hat sich Sebastian Lorenz entschlossen, in diesen entscheidenden Minuten der ersten Versorgung für andere da zu sein. "Diese Verantwortung liegt mir", sagt er. "Die Arbeit am Menschen macht mir Spaß." Er hat sogar begonnen, Medizin zu studieren. Seine Praxis-Erfahrung aus dem Rettungsdienst könne ihm dabei nur zugute kommen. Die Helfer, sagt Lorenz, seien mittlerweile gut psychologisch betreut. Bei posttraumatischen Belastungserscheinungen gebe es professionelle Hilfe. Niemand werde mehr als schwach hingestellt, weil er mit einer Situation seelisch nicht fertig geworden ist. In Gesprächen mit den Kollegen wird verarbeitet, was man im Einsatz gesehen hat. "Aber trotzdem nimmt man oft auch etwas davon mit nach Hause", sagt Lorenz.
Seine Flucht sei der Sport. Sebastian Lorenz taucht. "Da ist man in einer anderen Welt. Da kann ich abschalten und - im wörtlichen Sinn - abtauchen." An die Nieren gehen ihm nicht nur die schrecklichen Bilder von schweren Unfällen, bei denen "das Leid ziemlich offensichtlich ist".
Fast noch schlimmer ist es für den jungen Mann, mit dem sozialen Leid klarzukommen, das er oft bei älteren Leuten sieht. "Viele haben keine Angehörigen mehr, bekommen von niemandem Hilfe. Sie sind ganz alleine. Das ist schockierend."
Er begegne bei solchen Einsätzen oft einer Not, "die wir gar nicht lösen können". Auch diese Bilder begleiten ihn. Und sie machen ihm Angst. "Das sind Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben und dann durch ein einschneidendes Ereignis in diese Situation hineingezwungen wurden."
Von einem Moment auf den anderen für alle Zukunft auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, das könne jedem passieren, sagt der Sanitäter. "Da steckt man nicht drin."
Auszug aus Frankenpostbericht vom 13.04.2017, R. M.