Jetzt pikst es auch in der Region
Die Corona-Impfaktion im Landkreis beginnt im Seniorenheim Epprechtstein in Kirchenlamitz. Susanne Aßmann ist die erste Landkreisbürgerin, die das Vakzin erhält.
Kirchenlamitz. Es ist ein historischer Moment: Dr. Hans-Michael Stockhammer hält kurz inne und sticht dann ganz sanft zu. Susanne Aßmann zuckt nur kurz zusammen und lächelt. Geschafft. Die 43 Jahre alte stellvertretende Pflegedienstleiterin des Seniorenheimes Epprecht-stein in Kirchenlamitz ist die erste Bürgerin des Landkreises Wunsiedel, die den Corona-Impfstoff injiziert bekommt.
Im zweiten Anlauf ist die Impfaktion im Landkreis Wunsiedel angelaufen. Wie berichtet, hatte das Rote Kreuz als Betreiber des Kreis-Impfzentrums das Pech, am Sonntag Impfstoff erhalten zu haben, bei dem nicht sicher war, ob beim Transport nach Wunsiedel die Kühlkette eingehalten worden war. Wie Daniel Hahn vom BRK erklärt, waren offenbar die Temperaturlogger in den Spezialtransportboxen nicht richtig platziert, sodass sich die Temperatur nicht hundertprozentig nachvollziehen hat lassen.
Am Montag haben nun Mitarbeiter des BRK selbst 150 Dosen Impfstoff aus Bayreuth besorgt und den Transport genau dokumentiert. Bei etwas über zwei Grad Celsius in der Transportbox ist das Vakzin um 12 Uhr in Wunsiedel eingetroffen, wo es im Medikamentenkühlschrank kurz zwischengelagert wurde, bevor die zwei Impfteams mit der wertvollen Fracht nach Kirchenlamitz aufbrachen. "Wir haben uns entschieden, mit dem Haus Epprechtstein zu beginnen", sagt Hahn. Das Arzberger Seniorenhaus Fichtelgebirge komme wahrscheinlich am heutigen Dienstag an die Reihe.
Zunächst herrschte unter den BRK-Mitarbeitern Verwirrung. Fast im Minutentakt trafen gegen 9 Uhr neue Wasserstandsmeldungen ein. "Erst hieß es, der Impfstoff vom Sonntag ist einwandfrei, kurz darauf, dass wir ihn doch nicht nehmen dürfen. Und wiederum einige Minuten später war dann klar, dass wir 150 neue Impfdosen in Bayreuth holen können", sagt eine BRK-Mitarbeiterin.
Als gegen 14.30 Uhr die beiden Impfteams zusammen mit den Ärzten Dr. Hans-Michael Stockhammer und Dr. Charlotte Pfitzner im Kirchenlamitzer Seniorenheim eintreffen, müssen sich erst einmal alle einem Corona-Schnelltest unterziehen. Nach 15 Minuten kollektives Aufatmen: Alle Tests sind negativ. Jetzt kann es losgehen.
Susanne Aßmann ist die erste, die sich traut. Die stellvertretende Pflegedienstleiterin hat an sich gehörigen Respekt vor Spritzen, dennoch schreitet sie voran. Die einzige Bedingung ist, dass sie sich auf eine Liege legen darf. Kein Problem. Im großen Gemeinschaftssaal ist alles vorbereitet. Anschließend lassen sich noch weitere sieben Pflegerinnen und Pfleger impfen, bevor die Bewohner an die Reihe kommen.
"Von 54 Frauen und Männern lassen sich 42 impfen, sodass wir noch einige unserer Mitarbeiter eingeschoben haben", sagt Pflegedienstleiterin Marion Ortlepp. Das Vakzin ist so wertvoll, dass das BRK keine einzige Impfdosis vergeuden will. Da in den Ampullen immer Impfstoff für fünf Injektionen sind, sollten - wenn möglich - immer so viele Menschen geimpft werden, dass nichts übrig bleibt. Die weiteren zwölf Bewohner sind laut Marion Ortlepp keineswegs Impfskeptiker. Einer befinde sich in einem schlechten Allgemeinzustand und sei derzeit nicht impffähig, ein weiterer momentan außer Haus, "und die übrigen sind lediglich etwas vorsichtig und wollen noch abwarten".
Nicht so Werner Barthold. Der 86-Jährige ist der erste Bewohner, der die aufwendige Prozedur hinter sich bringt. Der Piks ist dabei das Wenigste. Zunächst stehen gleich zwei Aufklärungen an. Ein Mitarbeiter des BRK geht mit dem Impf-Patienten einen Anamnese-Bogen durch, bei dem es allgemein um Krankheiten, Medikamente, Schwangerschaft (diese Frage war nur bei den Pflegerinnen relevant!) oder bekannte Allergien geht. Einen Tisch weiter sitzt Dr. Hans-Michael Stockhammer und geht etwas mehr in die Tiefe. Er erläutert vor allem die möglichen Nebenwirkungen. Neben den in Einzelfällen vorkommenden Schlafstörungen oder leichten Schmerzen an der Einstichstelle gibt es lediglich zwei schwerwiegendere: Allergische Schocks und eine einseitige Gesichtslähmung. Die Wahrscheinlichkeit, derart auf das Vakzin zu reagieren, ist allerdings äußerst gering.
Nach der Injektion von 0,3 Milliliter Biontech-Impfstoff und etwas Kochsalzlösung folgt noch ein weiteres Arztgespräch, das am Montag Dr. Charlotte Pfitzner übernimmt. Sie hat die Aufgabe, den Zustand der Impf-Patienten noch einmal abzuklären, um auch wirklich jedmögliche Nebenwirkung auszuschließen.
Nachdem sich das BRK-Team und die beiden Ärzte ein wenig eingearbeitet hatten - der bürokratische Aufwand mit dem Ausfüllen der Erfassungsbögen und der Datenverarbeitung ist immens - läuft am Montagnachmittag alles reibungslos. Hochkonzentriert, aber wie im Akkord ziehen Nina Schmidt und Tanja Strößenreuther vom BRK die Injektionsspritzen auf und verabreichen sie nach einiger Zeit auch selbst. Im Hintergrund erfassen weitere Mitarbeiter alle Daten mit der vom Freistaat gestellten Software.
Daniel Hahn geht davon aus, dass bis Mitte des Monats alle Bewohner und das Personal der Pflegeheime im Landkreis geimpft sind. Parallel startet ab 5. Januar das Impfzentrum in Wunsiedel.
"Seit Monaten gibt es unter den Bewohnern nur noch das Thema Corona", sagt Susanne Aßmann. Als sie von Weihnachten im Heim erzählt und wie sie von einer Frau gebeten worden ist, einen von drei Söhnen auszusuchen, der zu Besuch kommen durfte, kommen ihr die Tränen. Doch nun gibt es für die Senioren zumindest etwas Hoffnung, dass wieder bessere Zeiten kommen. Der 86 Jahre alte Werner Barthold, der noch am Morgen etwas Bedenken hatte, steht nach dem Piks auf, als wäre nichts geschehen. Sein Kommentar: "Wenn es weiter nichts ist!"