Hilfe, wenn es in der Familie nicht klappt
Das Rote Kreuz bietet eine Sozialpädagogische Familienhilfe in den Landkreisen Wunsiedel, Hof und Tirschenreuth an. Damit will der Hilfsdienst seine soziale Verantwortung wahrnehmen.
WUNSIEDEL/MARKTREDWITZ. Ist es denn wirklich so schwer, das Kind aufzuwecken, gemeinsam zu frühstücken und den oder die Kleine(n) in den Kindergarten zu bringen? Für manche Familien ist es das. Wenn Eltern das eigene Leben nicht in den Griff bekommen, vielleicht die Struktur im Leben verloren haben und sich um nichts kümmern (können), trifft das immer auch die Kinder. Man könnte jetzt über diese Familien schimpfen, die Nase rümpfen oder einfach Verantwortung übernehmen und zum Beispiel das Jugendamt anrufen. Die Behörde verschafft sich in derartigen Fällen einen Überblick über die Situation und empfiehlt eine Sozialpädagogische Familienhilfe.
Seit Juni bietet neben weiteren Institutionen auch der Kreisverband Wunsiedel des Roten Kreuzes diese Hilfe an. "Wir sind einer der wenigen Kreisverbände in Bayern, die sich auf diesem Gebiet engagieren. Uns ist es ein Anliegen, unserer sozialen Verantwortung auch in der Familienhilfe gerecht zu werden. Dem BRK geht es nicht um Gewinnmaximierung, wir wollen schlicht den Menschen helfen, und zwar auf ganzheitliche Weise", sagt der Geschäftsführer des Kreis-BRK, Thomas Ulbrich, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Im Auftrag des Jugendamtes
Die Sozialpädagoginnen des BRK arbeiten im Auftrag des Jugendamtes. In den meisten Fällen liegt der Wunsiedler Behörde eine Mitteilung vom Kindergarten, der Schule oder Nachbarn vor, dass es in einer Familie Probleme gibt. Die Mitarbeiter des Jugendamtes gehen den Hinweisen nach und entscheiden, ob etwas zu tun ist oder auch nicht. Eine der Möglichkeiten ist die Sozialpädagogische Familienhilfe. "Im Allgemeinen stimmen die Familien der Hilfe zu", sagt Katrin Hoffmann, die im BRK die Sozialpädagogische Familienhilfe leitet.
Sucht. Immer wieder werden die Mitarbeiterinnen der Familienhilfe mit suchtkranken Eltern konfrontiert. "In den vergangenen fünf Jahren sind die Fallzahlen stets gestiegen", so Anja Turba, die stellvertretende Leiterin. Da die sieben Mitarbeiterinnen der Sozialpädagogischen Familienhilfe zum Teil längere Berufserfahrung bei anderen Trägern oder Einrichtungen haben, können sie die Situation vieler Familien in der Region einschätzen. Auch wenn der Laie dies kaum glauben mag, gibt es hinter den Wohnungstüren viele Probleme, oft gewaltige. "Wir sind häufig in Familien mit psychisch kranken oder depressiven Eltern", sagt Katrin Hoffmann. Suchtkrankheit, Überschuldung, Arbeitslosigkeit, all das belastet und stresst Familien.
Im Mittelpunkt der Familienhilfe steht immer das Wohl des Kindes. Anja Turba: "Daher fragen wir uns: Was benötigt die Familie, damit es dem Kind gut geht?" Meist zuvorderst eine Struktur im Alltag. "Es geht um einen geregelten Tagesablauf, der mit dem gemeinsamen Frühstück beginnt. Auch einfache Dinge, etwa dass Mutter oder Vater das Kind in den Kindergarten bringen, gehört dazu."
Komplexe Familienverhältnisse
"Manchmal hilft es schon, die Eltern für die Probleme ihrer Kinder zu sensibilisieren, damit sie die überhaupt wahrnehmen", so Linda Moyé vom Team des SPFH, wie die Sozialpädagogische Familienhilfe abgekürzt wird.Meist sind die Verhältnisse komplex. "Es steckt hinter jeder Familie eine eigene Geschichte. Dabei mache es keinen Unterschied, ob es sich um eine Familie aus der sogenannten Unterschicht handelt oder um Ärzte und Anwälte", berichtet Linda Moyé.
Corona mit drastischen Folgen
Verheerende Auswirkungen auf viele Familien hatte laut den Sozialpädagoginnen die Corona-Pandemie. "Es gab etliche Trennungen; auch die Fälle, in denen Kinder vernachlässigt werden, oder die von häuslicher Gewalt haben stark zugenommen. Grund seien nicht nur die Lockdowns gewesen, sondern auch die fehlenden Kontrollinstanzen. "Wenn die Kinder nicht mehr in die Kita oder Schule kamen, waren sie aus dem Blickfeld der Lehrer und Erzieher." Auf einmal seien die letzten verbindlichen Strukturen weggefallen, sodass Familien alleine dagestanden seien, so Katrin Hoffmann. "Für manche war es alleine eine riesige Herausforderung, sich auf Corona zu testen."Die Sozialpädagoginnen halfen seinerzeit, das Durcheinander etwas zu ordnen. "Wir mussten auch mal das Homeschooling einrichten, da manche Eltern damit überfordert waren", sagt die Team-Leiterin. Mit den Kindern lernen und Hausaufgaben kontrollieren mussten die Eltern selbst. "Wir verstehen uns nicht als diejenigen, die alle Arbeiten abnehmen. Uns geht es darum, die Eltern in die Lage zu versetzen, selbst aktiv zu werden." Während der Lockdowns hielten die Sozialpädagogischen Familienhelferinnen per Videochat Kontakt zu den Familien.
Im Grunde "Einzelkämpferinnen"
"Man weiß anfangs nie, was einen in den Familien erwartet und welche Hilfen letztlich notwendig sind", sagt Mitarbeiterin Eva Köhler. Im Grunde seien sie "Einzelkämpferinnen", die allein mit dem Auto irgendwo in der Region unterwegs sind. "Manchmal stoßen wir allerdings an unsere Grenzen und haben keine Ideen mehr, wie es in der Familie weitergehen soll.
"Teamsitzungen und Supervision, bei der ein Externer, häufig ein Psychologe, aus einer Art Vogelperspektive den Fall bespricht, helfen meist doch noch, den entscheidenden Dreh zu finden.
Eine Sozialpädagogische Familienhilfe ist in der Regel auf zwei Jahre angesetzt. "Jedes halbe Jahr besprechen wir mit den Mitarbeitern des Jugendamtes und den Familien die Fälle und entscheiden dann, wie es weitergeht", so Katrin Hoffmann. Ziel sei es schlicht, die Familien so weit zu bringen, dass das Zusammenleben passt und niemand darunter leidet. "Natürlich geht es in vielen Familien chaotisch zu, und man könnte meinen, die Kinder wünschten sich ein anderes Zuhause. Aber das ist in aller Regel nicht der Fall.
"Wie die Teamleiterin berichtet, dreht sich die Beziehung der Familien zu den Helferinnen im Laufe der Zeit in aller Regel um 180 Grad."Anfangs sehen sie uns als Kon-trolleurinnen, und am Ende wollen sie uns am liebsten nicht mehr gehen lassen."
Auch das sei für die Mitarbeiterinnen nicht immer einfach. "Wir müssen in unserer Arbeit immer auf den richtigen Abstand achten, um auch wirklich unvoreingenommen helfen zu können.
"Gruppe für die Kinder
Dies kann auch bedeuten, Eltern in die Suchtberatung und/oder zum Entzug zu motivieren oder an die Schuldnerberatung zu vermitteln. Damit die Kinder Neues erleben, bieten die Mitarbeiterinnen des BRK alle drei Wochen ein Gruppentreffen an. "Wir kochen miteinander, gehen ins Kino, wandern und backen jetzt vor Weihnachten auch mal Plätzchen", erzählt Katrin Hoffmann. "Uns ist wichtig, den Kindern soziale Kompetenz zu vermitteln. Manch einer weiß schlicht nicht, wie er sich an Regeln halten soll. Nach wenigen Malen lieben die Kinder die Treffen. So soll es sein."