Haus-Psychologin hilft den Helfern
Tod und Traumatisches gehören im Rettungsdienst und in der Pflege zum Alltag. Beim BRK im Kreis Wunsiedel kümmert sich Theresa Aures um Mitarbeiterfürsorge. Diese deutschlandweit einmalige Stelle mit Vorreiterfunktion soll zum Modell werden.
Wunsiedel. Das Team im Rettungswagen gibt sein Bestes - trotzdem stirbt ein Unfallopfer auf dem Weg ins Klinikum. Der Gruß der Altenpflegerin wird nicht erwidert - ihre Patientin liegt tot im Wohnzimmer. Solche Tiefschläge gehören für die Mitarbeiter des BRK-Kreisverbands Wunsiedel zum Alltag.
Vorbeikommen statt Externe holen
Brauchten Beschäftigte bisher Unterstützung, um belastende Situationen zu verarbeiten, musste sie extern beim betriebsärztlichen Dienst Hilfe beantragen - und sich outen. Seit 1. Juli geht das beim BRK im Fichtelgebirge unbürokratischer. Wen etwas bedrückt, der kann sich einfach an Theresa Aures wenden, "ohne dass es der Chef, der Wach- oder Einsatzleiter erfährt". Gerade hat die Psychologin neben zwei Sesseln noch ein Sofa in ihrem Büro im Marktredwitzer Industriegebiet Rathaushütte beim BRK-Kreisverband zusammengebaut. Wer möchte, kann sich hier fallenlassen, um seine Sorgen loszuwerden. Wer einfach bei Theresa Aures vorbeikommt oder mit ihr einen Termin vereinbart, könne sicher sein: "Die Beratung bleibt anonym."
Was so ein Einsatz mit der Seele macht
Bundesweit sei ein solches Angebot beim Roten Kreuz bisher einmalig- der BRK-Verband Wunsiedel übernehme Pionierfunktion, erklärt die Fachfrau. Wenn sich das Angebot der Mitarbeiterfürsorge hausintern eingespielt hat, soll sich ein Modell daraus entwickeln. Die Psychologin denkt in erster Linie an Nonprofit-Bereiche wie Hospizvereine oder Feuerwehren. "Womit diese Einsatzkräfte dauernd konfrontiert werden - das macht doch was mit der Seele."
Fakt ist: Psychische Erkrankungen nehmen stark zu - inzwischen machen sie schon 16 Prozent aller Krankschreibungen aus. Dem Arbeitsschutzgesetz zufolge müsse jeder Arbeitgeber einer Gefährdung der Mitarbeiter entgegenwirken, erklärt Aures. Doch die psychische Komponente werde oft nicht berücksichtigt. Der BRK-Kreisverband Wunsiedel beschäftige unter anderem 28 Mitarbeiter in der Hauskrankenpflege, 99 im Rettungsdienst und acht in der sozialpädagogischen Familienhilfe. Da die Belastungen in diesen Bereichen besonders hoch sind, entschied sich BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Ulbrich, im Haus eine neue Stabsstelle für eine Psychologin zu schaffen."
In der Altenpflege und im Rettungsdienst gibt es oft kein Happy End", erklärt Aures. Die Konfrontation mit Leid und Tod könne ganz schön an die Substanz gehen. Dabei sei es nicht immer "die Vollkatastrophe", die die Helfer zermürbe. Manchmal bekomme ein Sanitäter zum Beispiel das Bild eines Mädchens, das im Rettungswagen buchstabierte, nicht aus dem Kopf. Ein anderes Mal zermürbe eine Pflegekraft die Aneinanderreihung mehrer trauriger Erlebnisse mit älteren Menschen. Auch die Jugendhelfer erlebten im Bereich Kindeswohlgefährdung immer wieder Familiensituationen, die an die Nieren gingen.
Privates kann als Trigger wirken
Zwar könnten die Beschäftigten in der Regel professionell mit derartigen Situationen umgehen, doch sobald Arbeitsprobleme privat getriggert würden, entstünden Schwierigkeiten. "Dann schaukelt sich das hoch."
Besonders bei den Pflegekräften ist die neue BRK-Psychologin schon heiß begehrt. Denn die Pflege laufe seit Corona ohne Pause durch, erklärt Aures. "Nur klatscht jetzt keiner mehr." Zunehmende Erschöpfung mache sich bemerkbar. Etliche Mitarbeiterinnen müssten zusätzlich zu der belastenden Situation in der Arbeit noch Hürden im eigenen Alltag bewältigen - angefangen von Scheidung über Elternpflege bis hin zu Partnerschafts- und Erziehungsproblemen.
Trotzdem mit Herzblut bei der Sache
"Wie soll ich das alles verkraften?", fragten sich Betroffene. Beeindruckend findet es Aures, dass die Pflegekräfte ihren Job trotz aller Schwierigkeiten sehr gerne ausübten. "Da steckt viel Herzblut und Begeisterung drin", sagt Aures. "Der Job gefällt mir sehr - leider habe ich gerade einen Durchhänger", hört die Psychologin oft.
Seltener als die Pflegekräfte holen sich die Mitarbeiter des BRK-Rettungsdienstes bei Aures Hilfe. "Hier gibt es noch eine gewisse Hemmschwelle." Spreche sie allerdings mit den Beschäftigten über das neue Angebot, sei die Resonanz absolut positiv. "Unser Motto kommt an: Wir versuchen ja denen zu helfen, die anderen helfen." Vorbei seien auch im Rettungsdienst die Zeiten mit der Haltung: "Wir sind harte Kerle und brauchen das alle nicht." Denn das Tabu, das es es verbietet, über psychische Probleme zu sprechen, schwächt sich Aures zufolge immer stärker ab.