Digitalisierung ist kein Schnupfen
Im Dezember gingen die Strategietage zu Ende. 14 Kreisverbände haben für sich erarbeitet, was Digitalisierung für sie und ihr Umfeld bedeutet, wohin sie sich entwickeln wollen und wo sie mit der Umsetzung ansetzen. Wir geben Einblicke und zeigen auf, was uns im Digitalen Zeitalter grundsätzlich und dauerhaft voranbringt.
Strategietage zur Digitalisierung in den Kreisverbänden
Rund 240 Teilnehmende, drei Kick-Off-Veranstaltungen, 42 individuelle Workshops, drei Wrap-Ups und zahlreiche, produktive Stunden zwischendurch und drumherum! Die Strategietage im Rahmen des vom ESF geförderten Projekts Kreisverband reloaded des DRK Generalsekretariat gemeinsam mit einer externen Unternehmensberatung und vierzehn in Deutschland verstreuten Kreisverbänden, sind erfolgreich abgeschlossen. Die Kreisverbände haben einen weiteren wichtigen Grundstein gelegt, um die Digitalisierung bei sich weiter voranzubringen. Denn: "Digitalisierung ist kein Schnupfen, sie geht nicht wieder weg", wie Sigrun Deneke, ehem. Geschäftsführerin der DRK gemeinnützigen Gesellschaft für Pädagogik Hamburg-Harburg mbH treffend Tim Cole zitierte.
Ziel der Strategietage war es, die Kreisverbände in jeweils drei Workshops individuell dabei zu unterstützen, ihre eigenen Bedarfe der Digitalisierung zu formulieren, eine Vision zu entwickeln, strategische Ziele zu setzen und in erste konkrete Maßnahmen umzusetzen. In den regional aufgeteilten Kick-Offs und Wrap-Ups hatten die Teilnehmenden außerdem die Gelegenheit, sich mit anderen Kreisverbänden aus den Strategietagen auszutauschen und sich gegenseitig zu inspirieren.
Aufgrund der Pandemielage im Verlauf des Jahres 2020, wurden die ursprünglich in Präsenz geplanten Strategietage online durchgeführt. So begegneten die Teilnehmenden auch hier schon direkt Vorteilen und Herausforderungen der Digitalisierung. Trotz unterschiedlicher technischer Ausstattungen und digitaler Vorkenntnisse gelang in den Kreisverbänden ein Online- oder auch ein hybrides Format.
Wie gelingt Digitalisierung?
Einfach, aber nicht leicht: Um in der Digitalisierung voranzukommen, sind Raum und Zeit für die Strategieentwicklung und -umsetzung erforderlich. In der digitalen Arbeitswelt von heute und morgen ist klar im Vorteil, wer Folgendes im Blick hat:
Strategie
- Sich strategische Fragen, Ziele und Anpassungen regelmäßig auf die Agenda zu setzen schafft Kontinuität
- Mitarbeitende fach- und hierarchieübergreifend bereits in die Strategieentwicklung und dann in den Prozess und die Umsetzung einzubeziehen gibt ganzheitliche Einblicke und wirkt verbindend
- Sich konsequent als lernende und agile Organisation zu verstehen macht beweglich und zukunftsfähig
Kultur
- Eine positive Haltung zu Veränderung und Digitalisierung zu etablieren macht flexibel und anpassungsfähig
- Systematisch Rückmeldungen von den Mitarbeitenden einzuholen treibt voran und Beteiligung zu ermöglichen wirkt motivierend
- Eine konstruktive Fehlerkultur mit Blick auf Chancen und Ressourcen ermutigt
Kommunikation und Transparenz
- Eine offene Kultur der Kommunikation und Kooperation im Kreisverband motiviert und belebt
- Einzelne Handlungsschritte, Maßnahmen und Verantwortliche konkret zu benennen schafft Verbindlichkeit
- Im Prozess frühzeitig Rückmeldungen von Nutzenden einzuholen, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, bewahrt vor Energieverschwendung und fördert den praktischen Nutzen
Austausch
- Internen Austausch zu fördern verbreitet vorhandenes Wissen und schafft Synergien - denn: "Wenn der Kreisverband wüsste, was der Kreisverband weiß..."
- Innovative Mitstreitende auch dort zu suchen, wo man sie zunächst gar nicht vermutet, erhöht die Aufmerksamkeit und Offenheit und kann für erfreuliche Überraschungen sorgen
- Sich mit anderen Kreisverbänden, Organisationen, Expertinnen und Experten auszutauschen inspiriert
Praxistipps von Kreisverbänden für Kreisverbände
Während der Strategietage tauschten die Kreisverbände auch Ideen und Projekte aus, die sie bereits erfolgreich in ihren Kreisverbänden umgesetzt haben.
Im Rahmen eines innovativen Projekts zur Digitalisierung des Betreuungsalltags der Bewohnerinnen und Bewohner haben Madleen Knauth und Bettina Ipach für das DRK-Pflegezentrum Solferino in Essen ein so niedrigschwelliges wie wirkungsvolles digitales Tool eingeführt: die Kommunikationsapp myo. Diese App schafft kurze Kommunikationswege und erleichtert allen Beteiligten den Betreuungsalltag. Die Bewohnerinnen, Bewohner und ihre Angehörigen freuen sich über den flexiblen Austausch miteinander und die niedrigschwellige Unterstützung in Zeiten der Isolation. Und die Mitarbeitenden spüren ein unmittelbares, positives Feedback von den Angehörigen, den Bewohnerinnen und Bewohnern. Frau Knauths Empfehlung und Erfahrung an dieser Stelle ist es, mit einer kleinen Sache zu beginnen, die Spaß macht und Freude bringt. So können Hürden ab- und Motivation aufgebaut werden für Dinge, die vielleicht nicht sofort so viel Spaß machen, wie z.B. digitale Akten und Dokumentationen. Genaueres zum Projekt können Sie im Februar 2021 im Online-Seminar "Zukunft der Pflege" erfahren.
Ein wertschätzendes Projekt, das Amelie Lang, die Leiterin der Wärmestube Kempten im Kreisverband Oberallgäu mit Impulsen aus den Strategietagen eingeführt hat, ist der Instagram Account der Wärmestube. Ziel des Accounts ist es, das nach außen zu tragen, was täglich in der Wärmestube geleistet wird, den engagierten Haupt- und Ehrenamtlichen mediale Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenzubringen, den Spendenden zu zeigen, was sie mit ihrer Unterstützung ermöglichen und neue Engagierte zu gewinnen, so Frau Lang. Viel positives Feedback innerhalb kürzester Zeit gibt ihr recht.
Von einem guten Beispiel auf Ebene der Strategie- und Organisationsentwicklung berichtet der Kreisgeschäftsführer Thomas Ulbrich vom BRK-Kreisverband Wunsiedel i.F. Er etablierte eine jährlich stattfindende, mehrtägige Strategieklausur außerhalb der BRK-Räumlichkeiten. Seiner Erfahrung nach werden in diesem Rahmen wertvolle Ergebnisse erreicht, die in Besprechungen unter alltäglichen Bedingungen nie erreicht werden würden. Ziel dieser Strategieklausuren ist es, die Kommunikation innerhalb der Führungsebenen zu fördern und gleichzeitig Stärken, Schwächen und Entwicklungen aus den einzelnen Aufgabenbereichen herauszuarbeiten. Solche Strategieklausuren können beispielsweise erfolgreiche Unterstützung dafür sein, mit Einbindung vieler eine zukunftsgerichtete und bedarfsorientierte Implementierung von Digitalisierung im Kreisverband voranzubringen.
Viele weitere Aktivitäten, Ideen und Umsetzungen wurden geteilt, wie beispielsweise Kita Apps, YouTube Auftritte, digitale Personalakten, Kassenbücher und Pflegedokumentationen, digitales Wissens-, Kommunikationsmanagement sowie Dokumentenmanagementsysteme. Dabei ist ein wichtiger Punkt für die Kreisverbände, genau hinzuschauen, was sie eigentlich genau brauchen und was zu ihnen passt. Digitalisierung sollte so alltagstauglich wie möglich gestaltet werden, um das Arbeiten zu verbessern. Das dient nicht zuletzt auch dem Zweck, dass die Mitarbeitenden gerne beim DRK bleiben - und neue gerne dazu kommen.
Bei alledem gilt, dass die persönliche Begegnung die Basis jeder guten Zusammenarbeit bleibt, gerade im sozialen Sektor. Die aktuelle Pandemielage hat aber auch gezeigt, dass Wege geschaffen werden können, wie sie online unterstützt und wie eine positive digitale wie analoge Kommunikationskultur weiterentwickelt werden kann, um arbeitsfähig zu bleiben und sich gut für die Zukunft zu positionieren.
Nächste Runde: Qualifizierungsreihen Digitalisierung 2021
Bei den großen Dimensionen von Digitalisierung können die Angebote des Projekts Kreisverband reloaded natürlich nur einen sehr kleinen Beitrag zur Unterstützung der digitalen Transformation von Arbeits- und Organisationsstrukturen in den Kreisverbänden ausmachen. Ein weiterer begleitender Baustein, der im Rahmen des Projekts für das Jahr 2021 angeboten wird, sind drei umfangreiche Qualifizierungsreihen zu den Themen "Führung und Digitalisierung", "Öffentlichkeitsarbeit und Digitalisierung" und "Ehrenamtskoordination und Digitalisierung". In diesen praxis- und handlungsorientierten Workshops werden hauptamtlich Mitarbeitende des DRK für die konkreten Herausforderungen der Digitalisierung in ihrem Arbeitsfeld gewappnet und entsprechende Kompetenzen gestärkt. Nähere Informationen hierzu werden zeitnah veröffentlicht.
Investition, die sich auszahlt
Die sich verändernde Arbeitswelt und die sich ebenso verändernden Erwartungen und Wünsche der Haupt- und Ehrenamtlichen an ein positives, zeitgemäßes Arbeitsumfeld fordern heraus und treiben voran. Digitalisierung bedeutet zunächst häufig neben den Kernaufgaben zusätzlichen Aufwand, für den sowohl die Individuen als auch die Organisationen insgesamt entsprechende Ressourcen und einen langen Atem brauchen. Umso wichtiger ist es, Kräfte gut einzuteilen, das direkte Umfeld systematisch mitzunehmen, regelmäßig Rückmeldungen einzuholen und gemeinsam zu prüfen: ist das noch die richtige Richtung oder sollten wir Anpassungen vornehmen, um den eigenen Ziel(grupp)en noch besser zu entsprechen - und natürlich, sich immer wieder anerkennend auf die Schultern zu klopfen und kleine wie große Schritte miteinander zu feiern.
Es zeigt sich: die strategische, konkrete, kleinschrittige und gemeinsame Arbeit an der Digitalisierung sowie der (kreis-)verbands-, bereichs- und hierarchieübergreifende Austausch lohnen sich, machen Freude und motivieren!
Anregung und Unterstützung bietet das Handbuch Digitalstrategie, das das Team der DRK Kompetenzzentren Digitalisierung erarbeitet hat. Die Seiten der DRK Wohlfahrt informieren darüber hinaus zu Digitalisierungsthemen und digitalen Werkzeugen.
Wenn Sie den Stand der Digitalisierung Ihres Kreisverbandes besser einschätzen möchten, haben Sie die Möglichkeit, diesen schnell und einfach mit dem DRK Digital-Check zu ermitteln.
Nicht die Perfektion Ihrer Digitalisierungsschritte ist entscheidend, sondern das Ermöglichen, Beteiligen, Gestalten und Dranbleiben. Digitalisierung ist kein Schnupfen. Sie geht nicht wieder weg.